Richelsdorf

Ortsteil der Gemeinde Wildeck

Geschichtliches

Inhalt

Der Bergbau im Richelsdorfer Gebirge

Urkundlich wurde der Bergbau im Richelsdorfer Gebirge erstmals 1460 erwähnt.
Um 1530 muß er schon soweit ausgebaut worden sein, daß er ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor dieser Gegend geworden war. Nach Perioden des Stillstandes und der Wiederaufnahme der Arbeit im 16. und 17. Jahrhundert wurden die Gruben 1684 nach über sechzigjährigem Ruhen wieder geöffnet. Da die Gruben für die damalige Zeit relativ weit entfernt lagen, wurden sie im 17. Jahrhundert in vier Werke eingeteilt: das Bauhaus, das Stollenrevier, das Gunkelroth und das Bodenthal.

Zur Verarbeitung des Erzes gab es im 17. Jahrhundert bereits zwei Hütten und drei Pochwerke. Die erste Hütte war die Bernshütte, die nach dem ehemaligen Bernsdorf benannt war, aus ihr wurde später die Richelsdorfer Hütte. Die Bernshütte bestand aus zwei ,,hohe Öfen", einen ,,Gaarherd" und ein Pochwerk. An das Pochwerk schloß sich ein Kupferhammer an. Unterhalb des Kupferhammers lag wieder ein Pochwerk. Der Betrieb des zweiten Pochwerks war möglich, weil das Wasser, vom ersten Pochwerk kommend, gesammelt und über den Kupferhammer zum zweiten Pochwerk geleitet wurde. Wasser war die Antriebskraft der Maschinen. Für den Fall, daß im Sommer das von Süß kommende Wasser nicht ausreichte, war ein Sammelteich angelegt worden, der von dem Zufluß der Quellen am Ort gespeist wurde. Aus diesem Teich konnte fehlendes Wasser vier Wochen lang ersetzt werden. Die andere sogenannte ,,neue Hütte" war die Friedrichshütte bei Iba.

Der Kupferschiefer wurde von den Bergleuten abgebaut. Die Hauer klopften mit ihrem Gerät, dem Fäustel, den Schiefer lose, unter Umständen wurde auch einmal gesprengt. In das Flöz (schieferführende Schicht) wurden zum Abbau des Schiefers Streben getrieben. In den weniger als einen halben Meter hohen Streben bewegte sich der Hauer liegend durch Zusammenziehen und Strecken des Körpers fort. Dabei lag er auf zwei Brettern und hatte an einem Fuß den so genannten ,,Hunt" geschnallt, das war ein Karren mit vier niedrigen Rädern. In ihm wurde der Kupferschiefer befördert. Viele Bergleute bekamen durch diese widernatürliche Haltung unter Tage, in der sie einige Stunden täglich verbrachten, einen krummen Rücken, weshalb man ihre Arbeit auch als die ,,Krummhälsearbeit" bezeichnete. Den Abbau, der unter relativ ,,normalen" Bedingungen erfolgte, und in der die Abbaustrecke zumindestens einen knappen Meter hoch war, nannte man einfach Klopfarbeit.

Die Bergleute arbeiteten im Gedinge, das heißt, sie wurden nach der vollbrachten Leistung bezahlt. Für 6o Zentner abgebauten und ausgeschiedenen Schiefer bekam der Hauer bis zu zehn Taler Entgelt. Von diesem Lohn mußten aber noch die Förderkosten, das Pulver und das Geleucht gezahlt werden. Die übrigen Kosten wurden von der Herrschaft getragen. Der Tag begann mit dem ,,Gebet" um 5.oo Uhr morgens, und um 6.oo Uhr nahm der Bergmann seine Arbeit auf. Bis 12.oo Uhr mittags schlug er den Schiefer, Zwei Stunden benötigte er, um den Schiefer zu Tage zu fördern und weitere zwei Stunden um ihn zu ,,kliebern". Der Schiefer mußte zerkleinert und das taube Gestein gleich ausgeschieden werden. Die Schieferstücke durften nicht größer als eine flache Hand sein, damit die Abnehmer nicht das geförderte taube Gestein bezahlen mußten, für größere Schieferstücke hatte der Bergmann ,,einen guten Groschen" Strafe zu zahlen. Nun mußte der Bergmann den Schiefer noch messen und zur Röststätte bringen.

Um zu dieser Zeit ein Bergwerk betreiben zu können, war nicht nur das Vorkommen von Bodenschätzen Voraussetzung, vielmehr waren auch das zum Betreiben der Pochwerke notwendige Wasser sowie genügend Holz zum Betreiben der Schmelzöfen und ,,Gaarherde" Bedingung. Im Richelsdorfer Gebirge war all das gegeben

Die Pochwerke (Bild vorhanden) ,wurden mit Hilfe eines Wasserrades betrieben, das eine Welle bewegte, die nun wiederum die Pochstempel in eine Auf- und Abbewegung versetzte. Die Pochstempel waren quadratische Hölzer von neun Fuß Länge (das sind nach sächsischem Maß etwa zweieinhalb Meter) und einen halben Fuß Stärke. Am unteren Ende der Pochstempel befand sich der eiserne Pochschuh. Die Höhe des Pochschuhs betrug zwei Fuß, eine Hand (etwa 64 cm). Die untere Fläche des Pochschuhs betrug ein Fuß im Quadrat. Die Pochstempel stampften in den sogenannten Pochtrog, in den das erzhaltige Gestein gegeben worden war, und das hier mit Hilfe der Pochstempel zertrümmert wurde. Nun konnte das taube Gestein vom Erz getrennt werden. Je größer die Wasserräder waren, um so mehr Pochstempel konnten angetrieben werden. Die Wasserräder der Pochwerke im Richelsdorfer Gebirge waren 16 Fuß (ca. 452 cm), 18 Fuß (ca. 510 cm) und 20 Fuß (ca. 566 cm) hoch. Der nächste Schritt zur Gewinnung des Kupfers war das Schmelzen des Schiefers. Um möglichst reines Kupfer zu erhalten, mußte der Schiefer vorbehandelt werden, es ,wurde ,,geröstet". Auf einer Röststätte wurden bis zu hundert Fuder Holz (ca. 808,32 1) aufgeschichtet. Auf diese Holzschicht kam der Schiefer. Das Holz wurde entzündet, und bald fing auch der öl- bzw. schwefelhaltige Schiefer zu brennen an, Er brannte dann vier bis fünf Wochen. Die nicht gewünschten Mineralien, das Pech, der Schwefel und das Arsenik, was der Schiefer enthielt, wurden dadurch zum größten Teil verbrannt bzw. neutralisiert. Nach dieser Arbeit konnte der Schiefer im ,,hohen Ofen" geschmolzen werden, wozu als Brennstoff Kohle verwandt wurde. Auf ein Fuder Schiefer kam ein Fuder Kohlen. Aus 6oo Zentner gerösteten Schiefer erhielt man beim Schmelzen ungefähr 2oo Zentner Schwarzkupfer (Rohkupfer mit wenig Silberanteil), und 2o bis 22 Zentner Spursteine. Ein Zentner Schwarzkupfer ergab 86 bis 88 Pfund Gaarkupfer, und ein Zentner Spurstein brachte 64 Pfund Gaarkupfer. Aus drei Zentnern gerösteten Schiefer gewann man etwa einen Zentner Gaarkupfer. Das Gaarkupfer wurde dann im kleineren Gaarherd erneut eingeschmolzen und von Schlacken und sonstigen Rückständen gereinigt. Ein Zentner Gaarkupfer ergab 78 bis 8o Pfund reines Kupfer, das noch zwei bis zweieinhalb Loht (33 g bis 42 g) Silber enthielt.

Auch im Kupferhammer machte man sich die Kraft des Wassers zunutze. Das Wasserrad betrieb die Bälge für das Schmelzfeuer sowie einen Blech und einen Modellhammer. Hier wurde das gewonnene Kupfer gleich weiterverarbeitet. Für das Schmelzfeuer gab es einen Schmelztiegel, der genau einen Zentner Kupfer faßte. Beim Schmelzen kam es darauf an, die richtige Gaare des Kupfers zu erkennen, das Kupfer mußte dünn und zähflüssig sein. Es hatte dann die sogenannte ,,Kammergaare" und mußte sofort weiterverarbeitet werden. Hatte das Kupfer die ,,Kammergaare" nicht, und wurde es nicht unverzüglich bearbeitet, dann zersprang und zerfiel das Kupfer unter dem Hammer bei der Weiterverarbeitung. Im Kupferhammer wurden Kupferkessel und Kupferkannen produziert. Der Kasseler Herkules wurde auch aus Richelsdorfer Kupfer hergestellt.

Für die Führung des "Riegelsdorfer Schieferwerks" gab es ein Bergamt. In der Zeit von l7oo bis zum Zusammenbruch des Kupferbergbaues um etwa 1850 befand sich das Bergamt in Richelsdorf (davor in Sontra und Nentershausen). In dieser Zeit unterstand der Kupferbergbau dem hessischen Landesfürsten. Das Bergamt war gleichzeitig zuständig für die Bergreviere im Meißner, im Reinhardtswald und in Hirschberg. Neben dem Richelsdorfer Bergamt gab es auf dem damaligen Gebiet der hessischen Landesfürsten nur noch ein Bergamt in Schmalkalden und in Bieber im Spessart. Richelsdorf als Sitz des Bergamtes läßt auf die große Bedeutung des Kupferschieferbergbaues in unserer Gegend schließen. Das Bergamt wurde verwaltet von einem ,,Bergcommissarius" dem der Bergbau anvertraut war, von einem Bergschreiber, der das Rechnungswesen führte und schließlich von dem ,,Inspektor", der für die dortige Justiz zuständig war. Eine solche Stelle war nötig, da die Bergleute der eigenständigen Gerichtsbarkeit des jeweiligen Bergamtes unterstanden. Das Bergamt richtete nach den ,,gemeinen", den ,,landesüblichen" und den hessischen ,,Berggesetzen". Aufgrund der schweren Arbeit, die von den Bergleuten verrichtet werden mußte, erhielten sie besondere Rechte und soziale Zugeständnisse, und sie standen auch dadurch bei der übrigen Bevölkerung in hohem Ansehen. Die Bergleute waren von allen Diensten, Zoll und außerordentlichen Abgaben befreit. Sie trugen eine Uniform und erhielten einen Teil ihres Lohnes in Deputatgetreide. Diese Vergünstigungen wurden den Bergleuten zugestanden, um in etwa den Arbeitskräftebedarf zu sichern, denn die Arbeit selbst war schwer, und die Bergleute hatten zu dieser Zeit eine Lebenserwartung von nur 3o bis 35 Jahren.

Jedes Werk hatte einen Gruben- und einen Meßsteiger, im Gunkelröther Revier gab es sogar zwei Grubensteiger. Zu jedem Werk gehörte ein Obersteiger und ein ,,Geschworener", die die Aufsicht über die Arbeit führten. Die Steiger bekamen wöchentlich eineinhalb bis zwei Thaler und die ,,Geschworenen" drei und mehr Thaler, daneben hatten sie noch freies Wohnen.

Die Waschkinder, die den Kobalt vom Erz aussonderten, erhielten je nach Alter drei bis zehn Kreuzer je Schicht.

Andere Berufe wie Köhler, Schmiede, Zimmerer, Hüttenarbeiter u.a. wurden auch für den Bergbau gebraucht, so daß viele Leute beim Richelsdorfer Bergbau ihr Auskommen fanden und die ganze Gegend zu einem bescheidenem Wohlstand kam.

1791 waren rund tausend Bergleute im Richelsdorfer Bergbau beschäftigt. Der Höhepunkt des Kupferschieferbergbaues lag um 1820, danach verlor der Kupferschiefer immer mehr an Bedeutung. Der höhere Kupfergehalt des Mansfeldschen Schiefer, steigende Transportkosten und veraltete technische Einrichtungen machten den Abbau immer unrentabler.

Bereits 1716 hatte man neben dem Kupfererz auch Kobalt und Nickelerze gewonnen und diese als Farberze nach England und Amerika verkauft. Später wurden damit auch die kurhessischen Porzellanmanufakturen beliefert. Die Vorkommen waren aber bald erschöpft, und so stagnierte 1824 auch dieses Geschäft. Mit ausschlaggebend für den Niedergang war auch die billigere ausländische Konkurrenz und der Ersatz der Farberze durch chemische Stoffe.

Durch Gründung des Zellvereins fiel der Kupferpreis so stark, daß die Löhne der Bergarbeiter gekürzt werden mußten. Selbst die Übernahme der Berg- u .d Hüttenwerke durch den preußischen Fiskus im Jahr 1866 konnte den Zusammenbruch nicht aufhalten. Viele Bergleute mußten ihren Beruf wechseln oder wanderten nach Amerika aus.

Die Privatfirma Fleitmann und Witte aus Iserlohn erwarb im Jahr 1873 die Richelsdorfer Hütte. Sie baute einen neuen Kupferhammer und wollte in der Zeit von 1888 bis 1906 noch einmal den Kupferbergbau rentabel gestalten. Aber der geringe Kupfergehalt des Erzes und die starke ausländische Konkurrenz brachten auch diesen Versuch bald zum Scheitern.

Mit Hilfe von Tiefenbohrungen fand man in den zwanziger und dreißiger Jahren erneut Kupfervorkommen, die dann 1935 von Schnepfenbusch und von Wolfsberg aus und 1937 von Reichenbergschacht her abgebaut wurden. Der Kupferschiefer wurde mit einer Drahtseilbahn zur Hessenhütte nach Sontra befördert.

1945 wurden die Schachtanlagen auf Befehl der Amerikaner unter Wasser gesetzt.

Das Land Hessen veranlaßte 1950 aufgrund des wirtschaftlichen und sozialen Notstandes die Wiederaufnahme des Bergbaues. Der Kurhessische Kupferschieferbergbau mußte aber schon am 11. Februar 1955 Liquidation anmelden.

Seit dem Jahr 1880 hatte man damit begonnen, den Schwerspat abzubauen und in der Richelsdorfer Hütte zu verarbeiten. 1962 waren aber auch die Schwerspatvorkommen erschöpft. Die Richelsdorfer Hütte mußte von diesem Zeitpunkt an die Rohstoffe importieren, um ihren Betrieb aufrecht zu erhalten. Die Schwerspatverarbeitung wurde dann 1969 eingestellt und die Richelsdorfer Hütte der Fa. Alsecco übertragen, einem Hersteller für bautechnische Produkte.

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